Alte Weisheitslehren für heute
Vom rechten Maß in Allem: Benedikt von Nursia
Die Weisheitslehre des heiligen Benedikts sagt in einer seiner Regeln, dass das gute Maß die „Mutter aller Tugenden” sei. Wer es für sich gefunden hat, wird trotz aller Widrigkeiten und Schicksalsschläge ein harmonisches Leben führen können. Was für den einzelnen Menschen das richtige Maß ist, ist individuell verschieden. Was für den einen gut ist, schadet vielleicht dem anderen. Die Menschen verändern sich außerdem und stehen immer wieder auf neuen Entwicklungsstufen.
Um das rechte Maß finden zu können, so die Weisheitslehre, muss sich der Mensch in seiner jeweiligen Situation der Anforderung seines Lebens bewusst sein. Er muss wissen, dass er darüber vor Gott oder wenigstens vor sich selbst Rechenschaft ablegen muss: Wer das rechte Maß finden und anwenden will, muss das göttliche Gesetz und die Regeln des Lebens kennen, sagt der Heilige Benedikt. Das gute Maß führt den Menschen zu Tugenden, die sein Leben bestimmen: Diese Tugenden verbinden miteinander Reden und Schweigen, Offenheit für Einsichten und Festigkeit, Demut und Selbstvertrauen, schnelles Entscheiden und Besonnenheit, vorurteilsfreies Annehmen und kluges Unterscheiden, vorsichtiges Handeln und mutige Zuversicht, innere und äußere Anspruchslosigkeit, „Flaggezeigen” und Zurückhaltung, Gleichmut und Liebe.
Um das gute Maß zu finden, soll der Mensch vor allem auf sein Herz hören. Denn Güte ist wichtiger als das Gesetz. Intuitiv weiß man oftmals, dass man etwas falsch gemacht hat. Unmäßigkeit beim Essen und Trinken, beleidigende Worte im Zorn, die Gier nach Geld und Sex, feiges Hinnehmen von Unrecht, Lügen oder Betrügereien. Wenn dem Menschen allerdings nicht einmal mehr bewusst wird. dass er vom rechten Maß abgekommen ist, dann ist ihm kaum noch zu helfen. Er ist dann schon so abgestumpft, dass er die Fehler gar nicht mehr wahrnimmt und somit keine Notwendigkeit erkennt, in seinem Leben etwas zu verändern.
Rückbesinnung auf die Weisheitslehre um das rechte Maß
Die Rückkehr zur Ausgewogenheit erfordert dann, dass dieser Mensch sich erst einmal seines Irrwegs bewusst wird. Er muss sich dann selber einige entscheidende Fragen beantworten: In welcher Weise und wann habe ich das gute Maß verlassen, wo habe ich was übertrieben, wo habe ich mich mit meinem Verhalten gegen das Leben – mein eigenes und das der anderen – entschieden? Welche Konsequenzen ergeben sich daraus.
An einer Stelle legt Benedikt in seiner Regel dem Abt ans Herz: „Er hasse den Fehler und liebe die Brüder”.
Das ist eine wunderbare Regelung auch für die Gegenwart. Wenn jemand etwas falsch macht, dann soll man zwar den Fehler als solchen kennzeichnen, aber den Menschen, der ihn gemacht hat, lieben. Er verdient diese Zuwendung trotz seiner Unzulänglichkeit.
Vielmehr empfiehlt Benedikt dem Abt, der den Fehler kritisiert: „Er suche danach, mehr geliebt als gefürchtet zu werden”. Ein Leben im rechten Maß gibt dem Menschen Frieden und innere Ruhe. Der schönste Zustand, den ein Mensch erreichen kann, wenn er das richtige Maß für sein Leben gefunden hat, wird in allen Weisheitslehren mit dem gleichen Begriff beschrieben. Die „heitere Gelassenheit”.
In Anlehnung und mit ausgewählten Auszügen aus dem Buch „Gesundheit aus dem Kloster, Altes Heilwissen für Körper, Geist und Seele“, einem Buch von Pater Dr. Johannes Pausch OSB, Europakloster Gut Aich, St. Gilgen – und Gert Böhm.